Die Stadt Wiedenbrück besaß in der kirchlichen Organisation eine nicht unerhebliche Bedeutung. Von Wiedenbrück aus wurden verschiedene Kirchspiele gegründet. Den Abschluß fand es mit der Gründung des Kollegiatstiftes 1259 in der St. Aegidienkirche in Wiedenbrück. Es wurden diesem Stift die verschiedenen Pfarreien in unmittelbarer Nähe der Stadt zugefügt, wie St.Vit, Langenberg, Rheda, Gütersloh und Neuenkirchen.
Die etwa um 1200 erbaute Marienkirche dürfte mit der Gründung der Wiedenbrücker Neustadt in Verbindung gebracht werden. Eine sichere Erwähnung erfolgte 1221 durch einen Capellanus Andreas in der Marienkirche und 1302 wird die Marienkirche als Pfarrkirche der Neustadt ausgewiesen. Bereits etwa 25 Jahre später (1327), wird die Kirche der Aegidius-Kirche unterstellt. Sie dürfte weiterhin als Gotteshaus „für die Bauerschaft“ gedient haben, bis sie aus räumlicher Enge im 15.Jh. durch eine größere Hallenkirche ersetzt wurde, die am 7. Dezember 1470 eingeweiht wurde. Die Gottes- und Pfarrdienste wurden vom Kapitel der Aegidienkirche durch einen Vikar besorgt.
Im Jahre 1625 schickte der Osnabrücker Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg 2 Jesuiten nach Wiedenbrück, die hier eine Residenz bezogen und für den Gottesdienst sorgten. Sie zogen nach recht kurzer Zeit sich den Unwillen von Stift und Stadt auf sich und entfernten sich schon wieder nach kurzer Zeit von Wiedenbrück. Nach dieser Jesuitenmission folgte nun die Aussendung der Franziskaner nach Wiedenbrück. Sie bezogen 1644 eine Residenz im Privathaus der Familie Willen, bauten unter dem Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg gegenüber der Kirche aus dem Wohnhaus an der heutigen Mönchstraße ein bescheidenes Kloster.
Als der Bischof den Franziskanern auch noch die Marienkirche übergeben wollte, kamen Proteste des Aegidien-Kapitels. Der Bischof erzwang durch Androhung der Kirchenzensur die Annahme. Aber zugleich verpflichtete er die Franziskaner, falls sie gezwungen, oder sich freiwillig von Wiedenbrück entfernen, die Kirche in den vorigen Zustande als Filiale der Pfarrkirche zurückzugeben. Im Jahre 1644 hielten dann die Franziskaner, im Beisein des Bischofs Franz Wilhelm von Wartenberg, hier in dieser spätgotischen, dreischiffigen Hallenkirche den ersten Gottesdienst in dieser Marienkirche, die seit dieser Zeit auch oft Klosterkirche genannt wird.
Der Stadt wurde zur Auflage gemacht, das ehemalige Wohnhaus (provisorisches Kloster) der Familie Willen und die Marienkirche über die Straße miteinander zu verbinden. Die Inschrift an der Südseite des Klosterbogens gibt die Fertigstellung 1645 an.
Im September des Jahres 1647 wurde das Kloster zum Konvent erhoben und so konnte das bescheiden umgebaute Kloster nicht mehr den Ansprüchen gerecht werden, denn es mußte auch als Studienhaus für Kleriker genutzt werden. Es mußte ein größerer Klosterneubau geschaffen werden. Der Baubeginn für einen Neubau verzögerte sich jedoch bis in das Jahr 1667, obwohl der Fürstbischof Franz Wilhelm von Wartenberg schon 1644 das notwendige Baugelände gekauft hatte. Vielleicht spielte hier der Einfluss des 30jährigen Krieges (1618-1648) eine entscheidende Rolle mit, denn Wiedenbrück wurde 1647 Beute schwedischer Truppen. Die Stadt wurde geplündert und die Truppe verlangte für den Abzug Lösegeld.
Nach dem westfälischen Frieden 1648 lag die Stadt wirtschaftlich am Boden. Es mußte zunächst alles Zerstörte neu errichtet werden und so stand auch den Franziskaner Brüdern ein geringes Spendenaufkommen zur Verfügung, um auch einen Bau des Konvents mit zu finanzieren. Auch der große Brand in unserer Stadt 1685, wobei 26 Häuser ein Raub der Flammen wurden verzögerte die Bautätigkeit. In der Bautätigkeit wurden noch einige Grundstücke dazu gekauft, die erst den Bau dieser großen Klosteranlage ermöglichten. So konnte der Bau des neuen Klosters erst im Jahre 1716 abgeschlossen werden.
Die Marienkirche erhielt ihre eigentliche Berühmtheit durch ein in Holz geschnitztes Bild der Schmerzensmutter mit dem Leichnam des Heilandes auf ihrem Schoß, das schon seit Jahrhunderten das Ziel vieler Pilger und Prozessionen geworden ist. Von diesem, in der Marienkirche aufgestelltem Muttergottesbild, gibt es bisher keine Künstlerangabe, oder Fertigungsjahr. In einer ersten Urkunde, in der das Bild erwähnt wird, stammt aus dem Jahre 1327. Hier erwähnt der Bischof von Osnabrück, zu dessen Diozöse wir damals gehörten, „eine Kapelle die in der Stadt Wiedenbrück vor längst verflossenen Zeiten gegründet und der heiligen Gottesgebärerin und Jungfrau Maria geweiht ist, die in der Kapelle durch außergewöhnliche Wunderzeichen leuchtet“. Ferner spricht der Bischof in der erwähnten Urkunde von Opfergaben, die beim Altare der Gottesmutter dargebracht wurden. In einer anderen Urkunde aus dem Jahr 1332 bestätigt derselbe Bischof eine Reihe von Ablässen, die der Marienkirche zu Wiedenbrück von verschiedenen Bischöfen und Erzbischöfen verliehen waren. Hieraus ergibt sich das hohe Alter dieses Vesperbildes. Eben wegen seiner Wunderwirkung und die erhaltenen Ablassbriefe, gab es zu vielen Wallfahrten in den Jahren 1332 und 1503-1514 Veranlassung. So erzählt die Klosterchronik von verschiedenen Heilungen an Lahmen, Pestkranken oder Besessenen, die sich im 17. Jh. bei dem Vesperbild ereigneten. Im September 1714 entsprach das bischöfliche Ordinat dem Gesuch der Patres, feierliche Prozessionen zu diesem Vesperbild zuzulassen. Auch gewährte Papst Pius IX im April 1850 den frommen Besuchern der Wiedenbrücker Marienkirche eine Reihe von Ablässen, wodurch Wiedenbrück als Wallfahrtsort die kirchliche Anerkennung fand. Nach dem Kulturkampf 1875 konnte mit Hilfe der reich gespendeten Almosen ein neuer Altar beschafft werden, ein Meisterwerk der Wiedenbrücker Kunst.
Christoph Beilmann Juni 2020