Auf dem Grundstück Wasserstraße 39 in Wiedenbrück wurde im Vorfeld der Neubebauung eine von einer Teilunterkellerung betroffene Fläche durch die Fachfirma Archäologie am Hellweg eG unter Begleitung der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen ausgegraben. In der nur ca. 30 m2 großen Fläche hatten sich durch das hoch anstehende Grundwasser im Boden zahlreiche Hölzer erhalten, die die Archäologen Schicht für Schicht freilegen und dokumentieren mussten.
Die erfassten Hölzer bildeten zusammen wohl eine Art Uferrandbefestigung. Die komplexe Konstruktion bestand aus zwei bis drei hintereinanderliegenden, in Ost-West-Richtung verlaufenden faschinenartigen Reihen, die jeweils aus Staken und dazwischen eingeflochtenen Weidenruten zusammengesetzt waren. Als Staken verwendete man sowohl naturbelassene Äste als auch lattenförmig bearbeitete Hölzer.
Südlich an die faschinenartigen Reihen angrenzend hatte man zur Befestigung des Untergrundes zahlreiche Knüppel aus Birkenästen verlegt; diese Äste hatten Durchmesser von bis zu 10 Zentimetern und waren an den Enden abgebeilt worden. Stellenweise lagen auf diesen Knüppeln schließlich noch mattenartige Überreste aus kleinen dünnen Ästen. Die Ausrichtung der gesamten Konstruktion deutet darauf hin, dass sie das südlich anschließende Gelände vor eindringendem Wasser schützen sollte.
Aus der Holzkonstruktion, vor allem aber aus dem nördlich daran anschließenden Bereich konnte das Grabungsteam zahlreiche Funde bergen, darunter auch Keramik des 13. Jahrhunderts.
Weitere Funde waren zahlreiche Tierknochen sowie Lederreste, die sich hier ebenso wie das Holz aufgrund des feuchten Untergrundes sehr gut erhalten konnten. Ein besonderer Fund unter den Lederresten ist ein fragmentierter Kinderschuh.
Die aufwändige Holzkonstruktion wurde wahrscheinlich im Zuge der Errichtung der Wiedenbrücker Neustadt kurz vor der Mitte des 13. Jahrhunderts angelegt, um eine siedlungsungünstige, östlich eines Altarms der Ems gelegene torfige Senke nutzbar zu machen. Solche Landgewinnungs- bzw. Nachverdichtungsmaßnahmen sind in mittelalterlichen Städten immer wieder zu beobachten, jüngst z. B. auch in Minden oder Rietberg. Im 14./15. Jahrhundert wurde die Holzkonstruktion mit Aufschüttungen überdeckt, wodurch man das Gelände weiter erhöhte und es damit auch trockener machte. Von der endgültigen Aufsiedlung des Geländes zeugen schließlich bis zu zwei Meter lange Pfosten, die man durch die ältere Aufschüttung und die darunterliegende Holzkonstruktion gerammt hatte.
Einer dieser Pfosten stellte sich als wiederverwendeter, leicht angekohlter Fachwerkbalken heraus. Ob diese Pfosten zur ersten schriftlich überlieferten Bebauung des Grundstücks aus der Zeit um 1500 gehören könnten, sollen nun dendrochronologische Untersuchungen klären.
Julia Hallenkamp-Lumpe/Ulrich Holtfester