
Aufbewahrung der Verstorbenen
In früheren Zeiten war es üblich, dass Verstorbene bis zur Beerdigung zu Hause aufgebahrt wurden.
Im Jahr 1849 richtete die Kath. Kirchengemeinde St. Aegidius Wiedenbrück am Nonnenwall das St. Vinzenz-Krankenhaus ein (ab 1970 steht dort die Kath. Kindertageseinrichtung St. Marien). Auf dem Gelände des Krankenhauses befand sich auch eine Leichenhalle zur Aufbewahrung der Verstorbenen. Sie wurde bis Ende 1968 benutzt.
Die Stadt Rheda-Wiedenbrück baute 1971 eine neue Friedhofskapelle mit Aufbahrungsräumen und einem Andachtsraum direkt am Friedhof, Friedhofsweg. Die Friedhofskapelle wurde von Pfarrdechant Albert Stratmann, Pfarrer Johannes Wippermann und Pfarrer Ernst- Otto Meinhardt von der Ev. Kirchengemeinde geweiht. Ab diesem Zeitpunkt mussten die Trauerzüge nicht mehr durch die Stadt ziehen.
In der Zeit von 1968 bis 1971 wurden die Verstorbenen in der Leichenhalle des neuen St. Vinzenz-Krankenhauses aufgebahrt.
Die Friedhofskapelle wurde 2021/22 umfangreich erweitert und neu gestaltet.
Ablauf einer Trauerfeier und Weg zum Friedhof
Am Tag der Bestattung wurde der Sarg von der Leichenhalle am Nonnenwall zur St. Aegidius-Pfarrkirche Wiedenbrück gebracht und in der Turmkapelle aufgestellt. Nach dem Seelenamt und der Aussegnung durch den Geistlichen zog der Trauerzug von der Turmkapelle zum Friedhof am Nordring. Vom Hochkreuz aus ging es dann zur Grabstelle.
Mühlenpförtchen wurde zum Problem
1885 wurde der alte Friedhof an der Bielefelder Straße geschlossen und ein neuer Friedhof am Nordring angelegt. Zu dem neuen Friedhof führte auf direktem Wege über die Umflut an der Ecke Lange Straße/ Friedhofsweg (heute Rektoratsstraße) nur ein schmaler Überweg von 1,40 m Breite – das Mühlenpförtchen.


Das obige Bild links zeigt das Mühlenpförtchen (rechts die Neue Mühle später Strothjohanns Mühle) – es war ein beliebtes Motiv von Alt-Wiedenbrück und ziert hier die Rückseite eines Wiedenbrücker Notgeldscheines (1 ne Mark). Den grafischen Entwurf dazu schuf 1921 der Künstler Otto Nausester (1883 bis 1955), der in der Zeit auch in Wiedenbrück wirkte.
Die künstlerischen Notgeldscheine der Stadt Wiedenbrück sind heute im Wiedenbrücker Schule Museum ausgestellt. Ebenso ist dort auch das obige Bild von Heinrich Krane zu sehen (1886 – 1963, Künstler der Wiedenbrücker Schule).
Das enge Mühlenpförtchen wurde zum Problem, denn der pferdebespannte Leichenwagen konnte diese Engstelle nicht passieren. Der Leichenwagen musste daher den weiten Umweg durch das Rinder-Tor (auch Gütersloher Tor genannt) machen, um den neuen Friedhof zu erreichen. Die Trauergemeinde zwängte sich indessen durch das schmale Tor. Durch den Abriss des Hauses Lange Str. 86 im Jahr 1888 und dem Neubau einer Brücke wurde ein ausreichender Durchgang geschaffen (Abriss der Mühle mit Pferdestall 1967/1969).
Die jetzige Brücke wurde 1996 eingeweiht.
An die ehemalige Mühle an der Umflut erinnern heute 3 neue Mühlräder, die von Franz-Josef Krane 2007 gestiftet wurden.

Trauerzug
Heinz Graflage (Geschäftsführer mit Sohn Markus der heutigen Firma Städtereinigung Graflage) berichtet aus der Zeit:
Vater Anton und auch schon Opa Heinrich Graflage betrieben ab Ende des 1. Weltkrieges in Wiedenbrück ein Fuhrgeschäft mit 4 Pferden und Wagen an der Wasserstr. 3. Dort war das Wohn- und Geschäftshaus mit einem Stall für die Pferde und den Leichenwagen.
Neben den Transporten, z.B. für die Bauunternehmung Eustermann und die VEW (bes. Strommasten) fuhr Vater Anton auch den Leichenwagen (vorher auch das Fuhrgeschäft Beckschäfer, Lange Str.). Dazu wurden vorher die Pferde von Kopf bis Huf sorgfältig geputzt. Vater Anton fuhr den Leichenwagen stets im schwarzen Anzug und Zylinder. Kränze und Blumen wurden seitlich am Leichenwagen befestigt bzw. auf das Dach gelegt. Der Geistliche und die Meßdiener führten den Trauerzug von der St. Aegidius- Pfarrkirche an (bzw. auch von der Kreuzkirche der Evangelischen Kirchengemeinde). Danach folgte der Leichenwagen mit den Sargträgern- Angehörige, Nachbarn, Freunde schlossen sich dem Leichenwagen an.
Fotos aus dieser Zeit (ca. 1952 – 1957) zeigen einen Trauerzug ab der St. Aegidius- Pfarrkirche. Der Sarg wurde bis 1967/1968 von einem von 2 Rappen gezogenen Leichenwagen zum Friedhof gefahren.

(Vikar Wippermann wurde 1952 als Vikar nach Wiedenbrück zu St. Aegidius versetzt und war ab 1957 Pfarrer der neu gebauten Pius-Kirche)
Heinz Graflage weiß auch noch von einer Anekdote aus seiner Grundschulzeit 1958 in der Kirchplatzschule Wiedenbrück zu erzählen, über die auch in der heimischen Zeitung Die Glocke unter „Düt un Dat aus Wiedenbrück“ berichtet wurde:
… In einer Unterrichtsstunde fragte der Lehrer die Kinder nach den Berufen der Väter und was sie denn wohl für ihn tun könnten. Da gab es die Bäcker, Tischler, Elektriker, Friseure, Maler u.s.w. An Heinz gerichtet der Lehrer: Dein Vater wird wohl nichts für mich machen können! Doch, antwortete Heinz: Mein Vater kann Sie später einmal zum Friedhof fahren …
Quellenangaben:
- Fotos vom Trauerzug von der Familie Graflage
- Mühlenpförtchen – Zeichnung von Otto Nausester 1921 und Bild Krane 1941- Wiedenbrücker Schule Museum, Leiterin Frau Christiane Hoffmann
- Bild Mühlräder: Fotostudio Zeidler
- Josef Temme- Lebensbilder Wiedenbrücker Häuser 2009
Wissenswertes zu diesem Thema haben auch die Zeitzeugen Willi Michels vom gleichnamigen Bestattungshaus (Familienunternehmen seit 1903) und Dieter Breimann (ehemals Küster an St. Aegidius Wiedenbrück) beigetragen.
Aufgeschrieben von Heinz Bremehr im Januar 2025