Heimatfreunde wollen Schätze des Wiedenbrücker Friedhofs heben

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Artikel aus »Die Glocke« von Rainer Stephan (November 2022)

In Planung ist ein Führer zu Gräberfeldern, Künstlergräbern und bedeutsamen Grabmalen

Es gibt Friedhöfe in Deutschland, die weit über ihren Ort hinaus bekannt sind – zum Beispiel weil sie über eine lange und außergewöhnliche Geschichte verfügen, weil namhafte Persönlichkeiten dort ihre letzte Ruhestätte gefunden haben oder weil die Anlage und ihre Einbettung in die Umgebung landschaftsarchitektonisch besonders gelungen und einzigartig ist. Der Dorotheenstädtische Friedhof in Berlin, Melaten in Köln oder Hamburg-Ohlsdorf zählen zweifelsohne in diese Kategorie. Aber auch der alte Wiedenbrücker Friedhof zwischen Nordring, Ems und Friedhofsweg hat etwas vorzuweisen, was weit und breit seinesgleichen sucht: Grabanlagen mit Sakralkunst aus den Werkstätten der so genannten Wiedenbrücker Schule, darunter auch einige Gräber von namhaften Vertretern der einst bedeutsamen Stilrichtung.

Diesen Schatz zu bergen, der Nachwelt zu erhalten und ihn einer großen und interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat sich eine Arbeitsgruppe um die stellvertretende Heimatvereinsvorsitzende Sigrid Theen, Hans Josef Alke, das Ehepaar Heinz und Helmi Bremehr, Heimatmuseumsleiterin Christiane Hoffmann und Friedhofsgärtner Roland Wagner zum Ziel gesetzt. Zurückzuführen ist deren Initiative auf erste Erkundungen von vier Heimatfreunden. Alfons Brielmann, Hans Josef Alke, Horst Schauer und Manfred Schumacher (seinerzeit Vereinsvorsitzender) hatten vor etwa zehn Jahren damit begonnen, künstlerisch wertvolle und historisch bedeutsame Gräber, Grabanlagen und Grabmale systematisch zu erfassen. Dahinter stand auch der Gedanke, Zeugnisse der Wiedenbrücker Sakralkunst für den Fall einer Einebnung von Gräbern zu sichern und sie so vor einer Zerstörung oder Zweckentfremdung zu bewahren.

Diese Idee hat jetzt die neu gebildete Arbeitsgruppe aufgegriffen. Das Team hat die Liste der von Brielmann, Alke und Schumacher erfassten Gräber auf einen aktuellen Stand gebracht. Aktuell suchen die Mitglieder das Gespräch mit Hinterbliebenen. Dabei geht es vorrangig um die Frage eines Fortbestands der Gräber und die Sicherung von wertvollem Grabschmuck. So ist es den Akteuren soeben gelungen, die Zustimmung zweier Familien für eine weitere Verwendung von zwei Grabmalen einer eingeebneten Ruhestätte zu erlangen. Die beiden Gedenksteine aus Wiedenbrücker Schule Werkstätten haben bereits einen Standort im zweiten Memoriamgarten gefunden. Nach der nahezu erreichten Vollbelegung des ersten Gartens wird der zweite gerade von den Friedhofsgärtnereien Klaasen, Vossel und Wagner unweit des Nordrings angelegt.

Die weiteren Planungen der Kunstgräber-Arbeitsgruppe sehen vor, mit der Stadt über eine Zustimmung zur Ausweisung eines Rundwegs über den historischen Friedhof ins Gespräch zu kommen. Ein noch zu produzierender Flyer soll dabei allen Interessierten den Weg zu den etwa 30 erfassten Künstlergräbern führen. Mit Einverständnis der Hinterbliebenen sollen die Gräber darüber hinaus mit einem kleinen Schild und einem aufgedruckten QR-Code versehen werden. Dadurch soll es möglich sein, weitere Informationen über den an Ort und Stelle bestatteten Vertreter der Schule bzw. auf dem Grab vorhandene Werke aus der Schule abzurufen.

Ergänzen wollen die Heimatfreunde den Führer über den Friedhof um Informationen über die dort vorhandenen Gräberfelder. Dies sind im Einzelnen die inzwischen von der Stadt gepflegte Franziskanergruft, die vom St. Vinzenz Hospital gepflegten Gräber der Schwestern Hl. Vinzenz von Paul (letzte Beisetzung: 1999), die Grabstellen der Geistlichen von St. Aegidius (Pflege durch die Kirchengemeinde) sowie die Gräber von 60 zivilen und militärischen Opfern des Zweiten Weltkriegs (Erhalt und Pflege durch die Stadt), darunter 13 unbekannten Soldaten.

Intensiv mit dem Kapitel Wiedenbrücker Friedhöfe hat sich in jüngerer Zeit insbesondere die stellvertretende Heimatsvereinsvorsitzende Sigrid Theen beschäftigt. Nach ihren Recherchen erfolgten die ersten Bestattungen auf dem jetzigen Friedhof bereits im Jahr 1885. Zuvor hatten Wiedenbrücker ihre letzte Ruhestätte auf dem Kirchhof (heute: Kirchplatz), dem alten Friedhof an der heutigen Bielefelder Straße und die evangelischen Mitbürger am Hellweg gefunden. Die ersten Franziskaner wurden auf dem Liebfrauenmarkt vor der Marienkirche bestattet. Später wurde im Innenhof des früheren Klosters der Annunziatinnen am Nonnenwall ein Gräberfeld angelegt. Schwestern der Christlichen Liebe sind auf dem gerade neu hergerichteten Friedhof am Burgweg bestattet, und eine letzte historische und eher private Grabanlage im Wiedenbrücker Umfeld befindet sich auf dem Gut Geweckenhorst in St. Vit.

Text und Fotos: Rainer Stephan